Eine ganze Ameisenarmee, die über die Beine krabbelt, stetiges Kribbeln und Ziehen in Unter- und Oberschenkel. Immer dann, wenn Betroffene auf dem Sofa zur Ruhe kommen wollen, gehts los: der Drang, die Beine zu massieren, sich zu bewegen, ist übermächtig. Der Fachbegriff für dieses Leiden heißt Restless-Legs-Syndrom (RLS), zu deutsch „unruhige Beine“. Die meisten erleben die unangenehmen Reize in den Gliedern nur alle paar Tage
oder Wochen. Bei einem Drittel der Betroffenen kribbeln die Beine aber beinahe jeden Tag. Den Theaterbesuch, längere Fahrten oder Flüge macht die Krankheit zur Qual. Die Symptome sind besonders ausgeprägt, wenn die Betroffenen zu Bett gehen: Die wenigsten schlafen gut ein. Sie kneten ihre Beine, stehen immer wieder auf und kommen erst mitten in der Nacht zur Ruhe. Am nächsten Tag sind sie zermürbt und müde, auf Dauer zutiefst
erschöpft. „RLS macht richtige Löcher ins Nervenkostüm“, beschreibt es eine Betroffene in einem Internetforum für RLS-Patienten. Viele berichten, sie seien fix und fertig, die Krankheit mache sie wahnsinnig. Eine Heilung gibt es nichtDas Syndrom lässt sich bislang nicht heilen. Noch ist nicht einmal geklärt, wodurch es verursacht wird. „Mediziner sind sich zumindest einig, dass es sich um eine Erkrankung des zentralen Nervensystems handelt“, sagt Neurologin Juliane Winkelmann, die am Helmholtz Zentrum München zu RLS forscht. Das Syndrom basiere auf einer Fehlschaltung der Nervenzellen im Gehirn. Sie würden anders als regulär stimuliert. „Das löst die Übererregung, also das Kribbeln und Ziehen, aus.“ Eine wichtige Rolle scheint der Botenstoff Dopamin zu spielen. Welche genau, ist noch unklar. Schuld können Arzneimittel oder fehlende Nährstoffe seinMehr als die Hälfte der Betroffenen trägt die Erkrankung in den Genen. Oftmals hat ein Elternteil die gleichen Beschwerden. Bei vielen RLS-Patienten entdecken Mediziner einen Nährstoff- oder Vitaminmangel, der Fehlschaltung und Missempfindungen befördert. Häufig betroffen sind Menschen mit einem Nierenschaden, auch Schwangere, deren Nährstoff- und Hormonhaushalt durcheinandergeraten ist. Auch manche Medikamente lösen RLS-Symptome aus. Dazu gehören zum Beispiel Antidepressiva, Mittel gegen Übelkeit oder auch Cholesterinsenker. Was manchmal hilft: Eisen und MagnesiumSind Arzneimittel der Auslöser, lassen sich die Beschwerden lindern, wenn die Mittel in Absprache mit dem Arzt abgesetzt oder umgestellt werden. Stellt er einen Nährstoffmangel fest, kann er dem Patienten fehlende Nährstoffe verabreichen. Neben Eisen kann mitunter Magnesium die Situation verbessern.Wichtig dabei ist, mit dem Arzt abzusprechen, ob Nährstoffe sinnvoll sind, wenn ja, welche und in welcher Dosis. Wirkung von Akupunktur nicht belegtUm Symptome zu mildern, werden darüber hinaus viele, teils kostspielige Maßnahmen angepriesen, von Heilkräutern bis Akupunktur. Keine davon überzeugt durch ausreichende wissenschaftliche Belege für ihre positive Wirkung gegen RLS. Eiswickel, Wärmflasche, Bürsten: Einfach ausprobierenWärme nutzen. Eine Wärmflasche auf den Beinen vertreibt bei manchen Betroffenen das lästige Kribbeln. © Fotolia /goir Kein Wunder, dass Betroffene kreativ werden. Viele schwören auf Wärme und Kälte: Die einen berichten, dass ihnen Eiswickel helfen, andere schlafen nur mit Wärmflasche an den Beinen, nach Wechselduschen oder Massagen ein. Wieder andere empfehlen Massagebälle mit Noppen und dickborstige Bürsten. Wissenschaftliche Befunde, was davon wirklich wirkt, gibt es nicht. Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin und die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin raten dennoch, sie auszuprobieren. Viele Patienten hätten gute Erfahrungen damit gemacht. Auf Koffein verzichten und auf Schlafhygiene achtenMediziner empfehlen zudem, auf koffeinhaltige Getränke zu verzichten. Außerdem sollten sich RLS-Patienten regelmäßig bewegen oder Sport treiben. Das kann die Symptome lindern und erleichtert generell abends das Einschlafen. Ingo Fietze, Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Universitätsmedizin in Berlin, rät: „Wer wegen RLS zu Schlafproblemen neigt, sollte zudem auf gute Schlafhygiene achten.“ Das bedeutet: immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen, Schlafzimmer und Bett zu einem Wohlfühlort machen, abends vor allem ruhigen Aktivitäten nachgehen. Mehr im Special Besser schlafen: Was gegen nächtliches Wachliegen hilft. Parkinsonmittel helfen gegen RLSNutzen all diese Maßnahmen nicht und belastet RLS stark, können Medikamente helfen. Für die Behandlung zugelassen sind Mittel, die vorwiegend gegen Parkinson eingesetzt werden. In niedriger Dosis schwächen sie auch RLS-Symptome. Die Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest beurteilen die Wirkstoffe Pramipexol, Ropinirol und Levodopa als geeignet (ausführliche Informationen dazu finden Sie in unserer Datenbank Medikamente im Test). „Bei sieben von zehn Patienten wirkt die Behandlung damit, schon ab der ersten Tablette“, sagt Mediziner Fietze. In den ersten vier Wochen klagen allerdings manche über Nebenwirkungen wie Kreislaufprobleme und Übelkeit. Bei einigen kommen die Symptome trotz Medikamenten nach einiger Zeit wieder, tagsüber oder stärker als zuvor. In Absprache mit ihrem Arzt sollten sie dann auf einen anderen Wirkstoff umsteigen. Bei leichteren Beschwerden könnten Patienten die Medikamente zu bestimmten Anlässen nutzen, etwa wenn sie eine Flugreise machen. Viele stark Betroffene nehmen sie täglich ein, ein Leben lang. Für sie ist das ein geringes Übel – wenn nur die Ameisenarmee endlich stoppt. Was kann man gegen Kribbeln in den Beinen tun?Hausmittel gegen Kribbeln in den Beinen
Als bewährte Hausmittel sollen Eiswickel oder wahlweise eine Wärmflasche helfen, Wechselduschen mit warmem und kaltem Wasser oder auch Massagen. Selbst psychischer Stress kann der Auslöser für das Kribbeln in den Beinen und ein Taubheitsgefühl sein.
Welche Krankheit verursacht Kribbeln?Kurzübersicht. Ursachen für Kribbeln: z. B. Klemmen oder Einengen eines Nervs (etwa bei Bandscheibenvorfall, Karpaltunnelsyndrom), Magnesiummangel, Vitamin-B12-Mangel, Lippenherpes, Kontaktallergie, Schnupfen, Restless-legs-Syndrom, Krampfadern, Raynaud-Syndrom, Migräne, Fibromyalgie, Schlaganfall etc.
Wann ist Kribbeln gefährlich?Der Mediziner empfiehlt, bei dauerhaftem Kribbeln unbedingt einen Facharzt aufzusuchen. Dieser misst nicht nur die Leitgeschwindigkeit der Nervenbahnen, sondern entnimmt gegebenenfalls auch eine Nervenwasser-Probe. „Eine Nervenentzündung erkennt man nicht im Blut“ , betont er.
Welcher Nerv löst Kribbeln aus?Neben erkrankten peripheren Nerven kommen auch Veränderungen und Schäden im Zentralnervensystem, das heißt in Gehirn und Rückenmark, als Auslöser für Kribbeln und Taubheitsgefühle infrage. Verantwortlich dafür sind auch hier häufig: Durchblutungsstörungen. Verletzungen.
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